ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Frankfurter Buchmesse - Gastland Norwegen
"Mittwoch also" von Lotta Elstad
Lotta Elstad gehört zur jungen norwegischen Autorinnen-Generation. Die 36-jährige studierte Historikerin arbeitet als Journalistin und hat neben einigen Sachbüchern auch drei Romane veröffentlicht. Ihr Markenzeichen ist ein scharfsinniger, kluger und manchmal schwarzer Humor.
24. November 2019, 12:00
Ihr bisher größter Erfolg ist der engagierten Feministin vor zwei Jahren mit "Jeg nekter å tenke" gelungen, das heißt "Ich weigere mich zu denken" und das ist auch das erste Buch von Lotta Elstad, das es in deutscher Übersetzung gibt - bei Kiepenheuer & Witsch kommt es jetzt zum Gastland-Auftritt der Frankfurter Buchmesse unter dem Titel "Mittwoch also" heraus.
Kulturjournal | 21 08 2019
Ein humorvoller Roman über Abtreibung - geht das? Ja, meint Lotta Elstad, schließlich sei Humor ist eine Möglichkeit, um die Bedeutung eines Themas zu unterstreichen, "alle Stand-up-Comedians wissen das, die Wahrheit muss mit Schmerz verbunden sein, damit es wirklich witzig ist." - Lotta Elstads Protagonistin ist jedenfalls alles andere als zum Lachen zu Mute. Am Beginn stellt sie sich vor: "Mein Name ist Hedda Möller. Ich bin dreiunddreißig biblische Jahre alt. Mein Freund hat mich verlassen (eine "erotische Beziehung"), mein Job ist weg (ein mündlicher Vertrag) und soeben habe ich einen Flugzeugabsturz in Sarajevo überlebt."
Was alles passieren kann
"Ich habe das Buch 2016 geschrieben, einem ereignisreichen Jahr", sagt Lotta Elstad, "Trump wurde zum Präsidenten gewählt, England votierte für den Brexit … viele von uns hatten das Gefühl, dass eigentlich alles passieren kann, und wir haben uns gefragt: Wie schaut die Zukunft aus? Auch bei uns in Norwegen - seit die Fortschrittspartei im Parlament ist, ist so etwas wie ein Normlaisierungsprozess zu beobachten. Was früher die extreme Rechte war, gilt heute als moderat. Die Grenzen, was akzeptabel ist und was nicht, haben sich verschoben, es gibt mehr extreme Äußerungen und einen Rassismus, der sich auch deutlich hörbar artikuliert."
Ein Berliner One-Night-Stand
Hedda jedenfalls ist nach einer mühsam-chaotischen Reise quer durch Europa in Oslo angekommen, sie stellt fest, dass sie nach einem One-Night-Stand in Berlin schwanger ist, und sie will schnellstmöglich abtreiben. Das Gesundheitssystem allerdings sieht eine dreitägige Bedenkzeit vor. "All diese moralischen Debatten über Fortpflanzung und die Integrität unseres Körpers, das ist alles interessant, aber mich hat dieses spezifische Gesetz interessiert, weil es da um Gedanken geht", erklärt Lotta Elstadt, "was macht das mit dir, wenn du nachdenkst. Wirst du dabei gescheiter? Wie ist das mit der Intuition? Was soll an diesen drei Tagen passieren? Was passiert, wenn eine Regierung dich zwingt zu denken?"
Ich weigere mich, zu denken
Ich weigere mich, zu denken, sagt Hedda. Das geht aber nicht, und ihre Gedanken gehen im Kreis: wie ist die Schwangerschaft passiert, kann ich mir ein Kind leisten, wie ist das mit dem Alter und wer ist der Vater? Es gibt schließlich zwei Kandidaten - ihren Ex-Freund Lukas, einen kosmopolitischen Akademiker, und Milo, den Tinder-One-Night-Stand aus Berlin, einen Exzentriker, der in einem Wohnmobil lebt und ununterbrochen über Politik redet. ",Mittwoch also‘ ist in gewisser Weise auch ein politischer Roman. Literatur kann die Komplexität vieler Themen darstellen, eben weil sie auf Figuren fokussiert. Die Romanhelden werden zu Freunden, mit denen man sich identifizieren kann. Deshalb glaube ich, dass Literatur auch eine gewaltige politische Wirkung haben kann, weil sie ganz direkt unsere Emotionen anspricht und unseren Intellekt - nicht logisch-argumentativ und damit auch nicht so konfrontativ wie eine politische Kampagne."
KIEPENHEUER & WITSCH
Keine Opfer-Erzählung
"Politisch und unterhaltsam zugleich", "inklusive klarer feministischer Agenda", meinte die Kritik, als "Mittwoch also" vor zwei Jahren in Norwegen erschien. Der flapsig-saloppe Stil und der trockene Humor habe in ihrer Heimat aber viele provoziert, sagt Lotta Elstad, Zynismus sei ihr vorgeworfen worden. "Es ist auch keine Abtreibungsliteratur, wie wir sie kennen, keine Opfer-Erzählung von furchtbaren Lebensumständen und Vergewaltigung, Inzest und so weiter. Ich schreibe über eine Frau, die schlicht und einfach selbst schuld ist, an dem was da passiert. Und ja, es ist eine zynische Geschichte. Ich wollte die moralische Frage stellen, auch wenn es ihre Entscheidung ist und es ist eine dumme Entscheidung - unterstützen wir ihr Recht auf Abtreibung?" - Wir begleiten Hedda jedenfalls bis "Mittwoch also", wenn in immer rasanter werdendem Tempo ihre Lebensordnung aufgelöst wird bis zu einem gar nicht hoffnungslosen Ende.
Service
Lotta Elstad, "Mittwoch also", Roman, aus dem Norwegischen von Karoline Hippe, Kiepenheuer & Witsch
Originaltitel: "Jeg nekter å tenke"